a decade decayed

Mit Beginn des neuen Jahres (auch schon wieder eine Weile her) ist ja eine ganze kalendarische Dekade zu Ende gegangen (pøpsicle feiert demnächst auch schon zehnjähriges Bestehen). Zeit, einen Rückblick über die musikalischen Veröffentlichungen der vergangenen zehn Jahre zu wagen: hier nun meine Top Ten, Stand derzeit:

The Divine Comedy – „Regeneration“ (2001): traurig, nachdenklich, himmelhochjauchzend, lockerflockigleicht, … und voller Wahrheit
Jimmy Eat World – „Bleed American“ (2001): auch wenn ich bereits beim Erscheinen dieser Platte keine 16 mehr war, ein echter Kracher, mitreißend, voller Harmonien, Melodien, Wut, Schmerz und Euphorie
Queens of the Stone Age – „Songs For The Deaf“ (2002): ein unglaubliches Brett von reinem Rock’n’Roll-Album, dreckiger und gleichwohl filigraner Schweinerock at its best, nicht zuletzt dank des unglaublichen Dave Grohl am Schlagzeug
Johnny Cash – „American Recordings IV: The Man Comes Around“ (2002): eigentlich sind alle American Recordings sehr gut, aber auf dieser hier ist das grandiose NIN-Cover „Hurt“
Coldplay – „A Rush Of Blood To The Head“ (2002): my little guilty pleasure, aber auch nur, weil sie jetzt Stadien rocken – gleichwohl ein in sich geschlossenes, hypnotisch-melodiöses Werk voller Wehmut und Hoffnung, mit der grandiosen Abschlussnummer „Amsterdam“.
Wilco – „Yankee Hotel Foxtrot“ (2002) oder „A Ghost Is Born“ (2004): ich kann mich nicht entscheiden, wären die beiden Platten doch bloß als Doppelalbum erschienen … großes, tiefgründiges Songwriting, von hochvirtuosen Musikern mit einer erstaunlichen Leichtigkeit umgesetzt, gesungen von einer der mir sympathischsten Rockstimmen überhaupt
Bill Janovitz – „Up Here“ (2004): Singer/Songwriter-Kram war selten besser, ich empfehle auch seine Webseite Part Time Man of Rock, auf der er jede Woche einen Coversong zum Download bereitstellt und eine Art Essay dazu schreibt
And you will know us by the Trail of Dead – „Worlds Apart“ (2005): bahnbrechend und umwerfend, infernalisch und zerbrechlich, ein treffender Kommentar zu unserer Zeit, von einer der besten Livebands, die ich je gesehen habe
Die Gruppe Sport – „Aufstieg und Fall der Gruppe Sport“ (2006): bin ja sonst kein Fan von deutschen Texten, aber die Jungs singen nicht nur von Newton und Gravitation, sondern auch von Sirenen und Freunden, … und den Beatles, ebenso abwechslungsreich ist die Musik, wobei diese Platte innerhalb dieser Liste noch am meisten auf der Kippe stand
The Gaslight Anthem – „The ’59 Sound“ (2009): Gruppe Sport und diese hier sind die einzigen in dieser Zusammenstellung, die ausschließlich in den Nullerjahren veröffentlicht haben, und bezeichnenderweise mag ich The Gaslight Anthem wegen ihrer ausgeprägten Bruce-Springsteen-Anleihen so. Go figure! Aber: Knallige, eingängige Songs mit cleanen Gitarren und dennoch einer Punk-Attitüde, frisch und kraftvoll

Close, but no cigar:
PJ Harvey – Stories From The City, Stories From The Sea (2000)
Aimee Mann – Bachelor No. 2 (2000)
System of a Down – Toxicity (2001)
New End Original – Thriller (2001)
The Strokes – Is This It (2001)
Calexico – Sucht Euch ein Album aus
Radiohead – Hail to the Thief (2003)
The Cardigans – Long Gone Before Daylight (2004)
Elliot Smith – From A Basement On The Hill (2004)
Morrissey – You Are The Quarry (2004)
Ed Harcourt – The Beautiful Lie (2006)
Snow Patrol – Eyes Open (2006)
The Killers – Day and Age (2008)

Top Live-Albums
Bruce Springsteen – Live in New York City (2001)
Van Morrison – Astral Weeks – Live At The Hollywood Bowl (2009)

OST/Sampler
Badlands – A Tribute To Bruce Springsteen (2000)
I Am Sam (2002)
Dark was the Night (2009)

Auffällig finde ich bei näherer Betrachtung, daß die Dichte an aus meiner Sicht herausragenden Platten zum Ende der Dekade deutlich abgenommen hat. Liegt das nun an mir und meiner sinkenden Flexibilität/Offenheit oder einfach nur daran, dass der im Niedergang begriffene Musikmarkt nicht mehr hergibt? Sicher spielt auch eine Rolle, dass man bei älteren Platten halbwegs einschätzen kann, ob sie den „Test of Time“ überstanden haben. Das wiederum muss sich bei den jüngeren Veröffentlichungen erst noch weisen.
Bemerkenswert ist im Übrigen auch, dass keine einzige Frau Eingang in meine Top Ten gefunden hat. Dabei stehe ich doch so auf Frauenstimmen. Und anhand dieser Liste stelle ich rückblickend fest, daß die Jahrgänge 2001, 2004 und 2006 sowie mit Abstrichen 2000 für meinen Geschmack wohl die besten waren.

So weit also meine 2 Cents zu den Nuller-Jahren. Vielleicht äußern sich ja auch die anderen pøpsicles hierzu. Das könnte ein spannendes Bild über die musikalischen Einflüsse unserer Band ergeben.

Franzicle

P.S.: Nur ein Nachtrag der Vollständigkeit halber: Die Überschrift zu diesem Beitrag ist ein Zitat eines Songs der geschätzten Point Counter Point

 

Leserbriefe

4 Reaktionen zu “a decade decayed”

  1. Also ich mach dann mal…
    Als Anmerkung vorab: Ich habe die Alben weder chronologisch, noch nach Gewichtung aufgeführt.

    1. Digitalism – Idealism, weil Ihr House erfrischend ist und den nötigen Grad an knarrenden Bässen.

    2. Coldplay – A Rush Of Blood To The Head, siehe oben, vor allem hypnotisch-melodisch trifft es sehr genau.

    3. Them Crooked Vultures – Them Crooked Vultures, weil diese Band die innovativsten Rockmusiker meiner Rockmusikzeitrechnung definitiv vereint.

    4. Kettcar – Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen, weil niemand sonst einfache Gefühle so kompliziert ausdrücken kann.

    5. Queens Of The Stone Age – Songs For The Deaf, weil keine andere Band, außer Refused auf der The Shape Of Punk To Come, mehr Wumms hat und weil es nach fast zehn Jahren einfach geil war Dave Grohl wieder trommeln zu hören.

    6. Weezer – The Green Album, weil es die herzzerreißendsten Melodien hervorzaubert und einem die Tränen vor Bewunderung in die Augen steigen.

    7. Gluecifer – Automatic Thrill, weil sie die Kings Of Rock sind und nur sie so in den Arsch treten können.

    8. Keimzeit – 1000 Leute wie ich, weil sie sich so wunderbar poetisch an die Einfachheiten des Lebens trauen.

    9. Lagwagon – Resolve, weil das Album ihrem ehemaligen Schlagzeuger und meiner Inspiration der frühen Jahre gewidmet ist, der sich 2005 das Leben nahm und weil selten so viel Wut so authentisch in Musik erlebt habe.

    10. Randy – The Human Atom Bombs, weil sie den Garagenrock und den Punkrock mit instrumentalen und gesanglichen Höchstleistungen vereint haben und ich auf ihrem Konzert im Knaack das erste mal auf einem Rockkonzert getanzt habe. Das ist auch zum Glück nie wieder vorgekommen.

  2. ich vermisse Danko Jones, Gluecifer und MOTÖRHEAD !!! \m/ -_- \m/

  3. @ralf: ja, wo sind sie denn bloß?

  4. Deine Jahrzehntliste habe ich direkt zum Anlass für einen längeren Internet-Musikabend genommen, weil ich sie nämlich gleich als Steinbruch für neue Tipps verwenden konnte – kannte nicht alle genannten Acts. Auf jeden Fall steckt eine Menge Qualität drin. Ich selbst bin sicher nicht mehr so in der Musik drin wie Du, aber die Wellenlänge / akustische Sozialisation scheint mir ziemlich ähnlich zu sein (wie übrigens auch die von Dir geschilderten veränderten Umstände des Musikhörens im Familienernährer-Status). Besonders gut haben bei mir als Neuentdeckungen …Trail of Dead und Bill Janovitz funktioniert – die Alben werde ich mir wohl besorgen müssen. Die allgemeine Johnny-Cash-Begeisterung habe ich hingegen nie teilen können, Ausnahme ist in der Tat das imperiale „Hurt“, das aber eben auch aus einer anderen Ecke kommt. Gaslight Anthem sind mir in ihrer Springsteen-Ergebenheit allzu penetrant (fast peinlich die Youtube-Videos von gemeinsamen Auftritten), zumal sie ihr Schwergewicht auf die ödeste Boss-Phase als schwitzender Stadionrockschwerarbeiter legen – braucht kein Mensch, meine Meinung.
    Best-Of-Listen sind immer eine gute Finger- und Konzentrationsübung, und Jahrzehntwechsel bieten dafür einen besonderen Aufhänger. Deshalb bin ich im vergangenen Herbst schon auf eine ähnliche Idee gekommen wie Du, habe die Charts (eine Rangfolge gehört in der Popkultur allerdings zwingend dazu, schlag nach bei Nick Hornby!) spaßeshalber gleich auf vier (!) Jahrzehnte ausgedehnt, wodurch ich vielen Favoriten gerecht werden konnte. Neben der „Test Of Time“-Nachhaltigkeitswertung habe ich dabei stets auch die persönliche Augenblicks-Einschlagswirkung berücksichtigt.
    Bei den 00er Jahren wären noch die Libertines, Boxer Rebellion, Mando Diao, Linkin’ Park, Arctic Monkeys und Evanescence zu nennen, die den Einzug knapp verpasst haben. Generell gilt aber, dass ich für dieses Jahrzehnt sicherlich die dünnste Datenbasis habe – obwohl es gewiss nicht die schwächste Musik lieferte.

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